Neues aus der BVfK-Rechtsabteilung:
Dauerbrenner Widerrufsrecht – ein ewiges Damoklesschwert?
Neue Rechtsprechung zur Geltungsdauer und den Rechtsfolgen:
Das Widerrufsrecht scheint gerade im Neuwagengeschäft gnadenlos. Ein Fahrzeug 14 Tage lang kostenlos testen und dann gegen Erstattung des vollen Kaufpreises zurückgeben – Für den Käufer ein verlockender Deal, für den Verkäufer eine kleine finanzielle Katastrophe. Wird dann auch noch die Belehrung unbemerkt vergessen, schwebt die potenzielle Widerrufserklärung möglicherweise gar grenzenlos wie ein Damoklesschwert über dem Autohaus. Regelmäßig erhalten wir daher Anfragen aus dem Mitgliederkreis, ob man die zu befürchtenden Konsequenzen nicht einschränken oder das Widerrufsrecht gar in gewissen Konstellationen vollständig ausschließen könne.
Auch wenn wir für Letzteres sicherlich kein Patentrezept anbieten können und von derartigen Versuchen abraten, so kann jedoch die Angst vor einem allzu großen Wertverlusts häufig genommen werden. Denn das Widerrufsrecht gilt weder zeitlich unbegrenzt noch muss der Verkäufer eine ausgiebige Nutzung des Fahrzeugs ausgleichslos hinnehmen. Zwei aktuelle Entscheidungen des EuGH und des LG Heidelberg zeigen die Grenzen auf.
In welchen vertraglichen Konstellationen gilt das Widerrufsrecht?
Bevor die ausgeurteilten Rechtsfolgen aufgezeigt werden, erst einmal in alle Kürze die grundliegenden Fakten: Das Gesetz sieht vor, dass in den jedenfalls für den Autokauf relevanten Fällen des Fernabsatzgeschäfts, des Haustürgeschäfts sowie des Abschlusses eines Darlehensvertrags ein Widerrufsrecht besteht, welches ohne Angabe von Gründen ausgeübt werden kann. Ein Fernabsatzgeschäft liegt vor, wenn der Vertrag ausschließlich über die Verwendung von sogenannten Fernkommunikationsmitteln (Telefon, Internet, Fax) zustande kommt. Haustürgeschäfte finden außerhalb der Geschäftsräume, meist am Wohnsitz des Käufers statt und dürften für den Autohandel eine untergeordnete Rolle spielen. Beim Darlehensvertrag wiederum handelt es sich um ein „verbundenes Geschäft“, bei dem der Kaufvertrag an einen Finanzierungsvertrag „gekoppelt“ wird. Wird einer der beiden Verträge widerrufen, verliert auch der andere Vertrag seine Wirkung. Das Widerrufsrecht greift in den genannten Vertragskonstellationen unterschiedslos sowohl für neue als auch für gebrauchte Fahrzeuge.
Wie lange muss ich mit einer Widerrufserklärung rechnen?
Auch hier macht das Gesetz strikte Vorgaben: 14 Tage ab Übergabe des Kaufgegenstands und ordnungsgemäßer Belehrung. Sinn und Zweck des Widerrufsrechts ist es, dem Käufer Gelegenheit einzuräumen, die zuvor ungesehene Ware jedenfalls in dem Umfang zu testen, wie es ihm vor Ort möglich wäre. Eine Widerrufserklärung vor Übergabe des Fahrzeugs ist ebenfalls zulässig, zumal sie mangels eintretendem Wertverlust eher als „unschädlich“ bezeichnet werden kann.
Von maßgeblicher Bedeutung für den Beginn der 14-tägigen Frist ist aber auch, ob Sie den Käufer ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt haben. Die BVfK-Rechtsabteilung hält hierzu Musterformulare bereit, mit denen Sie eine für Ihren Betrieb passende Widerrufserklärung problemlos erstellen können. Fehlt es an einer Belehrung oder ist diese fehlerhaft, so beginnt die Widerrufsfrist bei ab 2016 geschlossenen Verträgen nach spätestens einem Jahr oder ab Nachreichen einer ordnungsgemäßen Belehrung zu laufen. Hier ist also Vorsicht geboten.
Außerdem können Verbraucher unter gewissen Bedingungen vom medial als „Widerrufsjoker“ bezeichneten Konstrukt profitieren, bei dem das Widerrufsrecht im Falle fehlerhafter Belehrungen zeitlich unbegrenzt gelten soll. Ganz so einfach ist es aber dann doch nicht immer, wie der EuGH kürzlich entschied („Romano“, Urteil vom 11.09.2019, C-143/18). Jedenfalls wenn es sich um einen fernkommunikativ geschlossenen Darlehensvertrag handelt und sobald dieser Vertrag aus Sicht beider Parteien vollständig erfüllt wurde, was beim Kaufvertrag über Fahrzeuge mit Übergabe und vollständiger Raten-/Kaufpreiszahlung anzunehmen ist, erlischt das Widerrufsrecht nach Ablauf der Widerrufsfrist auch bei fehlerhafter Belehrung. Das hatte der BGH zuvor anders gesehen. Ein richtiger und wichtiger Schritt, wie wir finden. (Anmerkung: Ausführlichere Darstellungen des „Widerrufsjokers“ behalten wir uns aufgrund der umfangreichen Fallgestaltungen gesondert vor.)
Praxistipp: Beschränken Sie Ihre Widerrufserklärung ausdrücklich auf Verbraucherverträge! In der Rechtsprechung ist die Auffassung vertreten worden, das Widerrufsrecht gelte bei mangelnder Klarstellung auch für Unternehmer.
Muss ich Wertverluste bei Rücknahme des Fahrzeugs einfach so hinnehmen?
Das hängt davon ab, ob der Käufer die Grenzen der zulässigen Nutzung überschreitet. Vorgesehen ist insoweit, dass der Käufer das Fahrzeug in vergleichbarem Umfang wie am stationären Betriebssitz des Verkäufers testen kann. Überführt er das Fahrzeug zu sich nach Hause und bewegt dieses nur wenige Kilometer auf seinem Privatgelände, sind hierbei entstehende übliche Abnutzungen wohl hinzunehmen.
Anders, wenn der Käufer das Fahrzeug auf sich zulässt und sich damit im Straßenverkehr bewegt. Allein die Zulassung führt aufgrund des wertbildenden Faktors der Vorbesitzeranzahl zu erheblichem Wertverlust und fällt nicht mehr in den vom Gesetzeszweck abgedeckten Nutzungsumfang. Dieser Wertverlust ist demzufolge auszugleichen, wie das LG Heidelberg (09.01.2019, 1 S 34/18) kürzlich bestätigt hat. Im Falle des Widerrufs müssen auch etwaige Mängel bei Übergabe unberücksichtigt bleiben.
Ebenso sind vorgenommene Modifikationen oder Beschädigungen regelmäßig zu ersetzen, denn der Käufer weiß, dass er das Fahrzeug im Falle des Widerrufs unbeschädigt zurückgeben muss und hat daher sorgsam mit diesem umzugehen.
Fazit der BVfK-Rechtsabteilung
Sicherlich ist es gerade bei Bestellfahrzeugen, insbesondere wenn es sich bei diesen nicht um Verkaufsschlager handelt, ärgerlich, wenn der Käufer das Fahrzeug ohne Angabe von Gründen zurückgibt. Wie die Rechtsprechungsentwicklung zeigt, sind dem Widerrufsrecht aber sowohl zeitliche als auch umfangbezogene Grenzen gesetzt. Bei eintretenden Wertverlusten können Sie meist mit entsprechendem Ausgleich rechnen und das Fahrzeug im besten Fall ohne Verluste weiterveräußern. Hierbei ist abzuwägen, ob das insoweit verbleibende Restrisiko im Verhältnis zum Vorteil der durch Fernabsatz- und Finanzierungsverträge erzielten Reichweite steht.
Sehen Sie sich Widerrufserklärungen ausgesetzt, prüft die BVfK-Rechtsabteilung gerne deren Rechtmäßigkeit und hilft Ihnen bei der Geltendmachung von eintretenden Wertverlusten.
Ihre BVfK-Rechtsabteilung